Interview: Naturfilm für alle: die Welten wahrzunehmen, die man nicht sehen kann – die Welten der Menschen um uns herum.

Ein Mann mit Videokamera auf dem Feld ist zu sehen
© Anna Pytel

Krzysztof Kaszewski, Filmemacher, Geologe und Wirtschaftspsychologe von Beruf, interessiert an Soziologie. Er gibt Kurse in Filmproduktion im Jugendkulturzentrum in Wrocław (Polen) und entwickelte gemeinsam mit dem Projektteam „Natur ohne Barrieren” einen ganz besonderen Film: einen Naturfilm für alle.

Welche Erfahrungen haben Sie bisher mit dem Thema Barrierefreiheit gemacht?

Seit einiger Zeit erstelle ich Audiobeschreibungen für die polnische Filmchronik, um sie für Menschen mit Sehbehinderungen anzupassen. Ich musste lernen, wie man das macht, und es ist keine leichte Aufgabe! Es erfordert einen riesigen Wortschatz, um ein Bild in Sekundenschnelle verständlich und vorstellbar zu beschreiben.

In meiner täglichen Arbeit im Jugendkulturzentrum treffe ich manchmal auf Menschen mit Behinderungen, meist mit Lernschwierigkeiten, mit Kommunikationsproblemen sowie Ausländer, die die polnische Sprache nicht oder nicht gut beherrschen. Ich bringe meine pädagogische Erfahrung und mein psychologisches Wissen in den Unterricht ein. Ich habe eine Ausbildung in der Arbeit mit Menschen mit kognitiven Störungen, mit Down-Syndrom oder Autismus absolviert.

Ich habe mit sozial ausgegrenzten Menschen gearbeitet und zusammen mit Jugendlichen aus zerrütteten und armen Familien den Film "Der Käfig" gedreht, der vom Kampf mit ihrem Alltag erzählt. Kürzlich half ich einem Kollegen bei der Produktion eines Dokumentarfilms über Menschen, die die Hilfe von MONAR in Anspruch nehmen (MONAR ist eine polnische Nichtregierungsorganisation, die sich auf die Hilfe für Drogenabhängige, Obdachlose, HIV-Positive usw. konzentriert). Außerdem habe ich Sozialforschung über das Auftreten von Gewalt und Drogensucht unter jungen Menschen betrieben.

Beeindruckend! Haben Sie bereits jemals vorher eine Naturdokumentation gedreht oder mitgestaltet?

Ja, 2011 habe ich zusammen mit Romuald Mikusek an dem Film "Die Eulen Polens" gearbeitet, ich war vor allem für den Schnitt verantwortlich, habe aber auch einige Bilder gemacht und beim Ton mitgeholfen. Der Produzent war die Stiftung zur Unterstützung ökologischer Initiativen aus Krakau. Dieser Film ist kein typischer Film für Menschen mit Beeinträchtigungen, er war für Grundschüler gedacht, daher die einfache Sprache, die einfachen Erklärungen und Animationen. Diese Elemente machen den Film aber auch für Menschen mit Lernschwierigkeiten leicht zu verstehen. Der Ton im Film entspricht dem Geschehen auf dem Bildschirm, er fängt perfekt die Geräusche der Natur ein, was die Wahrnehmung für alle Zuschauer erleichtert.

Mehrere Jahre lang habe ich die Niederschlesische Filmchronik aufgebaut. In Anlehnung an die alte Idee der polnischen Filmchronik habe ich eine Reihe von Filmen über wichtige Ereignisse in der Region gedreht.

Mein neuestes Projekt ist der Kurzfilm "Milicz Ponds", der 2020 gedreht wurde. Er zeigt die Schönheit des Barycz-Tals auf eine Weise, die für alle Zuschauer zugänglich ist.

Wie entstand die Idee eines Films, der für alle zugänglich ist?

Seit meinem Universitätsstudium interessiere ich mich für Wahrnehmungsprozesse, Bildungssysteme und die Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten. Deshalb habe ich ein Psychologiestudium begonnen und wollte eigentlich im Bereich Sozialwissenschaften arbeiten. Das Leben hat sich anders entwickelt, aber das Wissen, das ich während meines Studiums erworben habe, hat mir geholfen zu verstehen, wie man Menschen unterrichtet. So habe ich auch im internationalen Programm für das schnelle Erlernen von Fremdsprachen gearbeitet. Ich habe mich schon immer für Denk- und Lernprozesse interessiert. Deshalb unterrichte ich in meinen Kursen im Jugendkulturzentrum hauptsächlich nicht, wie man die Kamera hält, sondern wie man die Zuschauenden erreicht, wie man ihnen die eigene Vision vermittelt.

Vor welchen Herausforderungen standen Sie bei der Produktion des Films "Milicz Ponds"? Hat Sie etwas besonders überrascht?

Die größte Herausforderung an sich war es, einen Film für Menschen mit verschiedenen Behinderungen zu machen. Ich habe mich gefragt, was wäre, wenn der Film von Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen gemeinsam angeschaut werden würde, z. B. von tauben und blinden Menschen. Oder einer Person mit eingeschränkter Wahrnehmung und völlig gesund körperlich. Sollen sie sich den Film getrennt und zweimal ansehen? Nein! Alle sollten den Film gemeinsam sehen, um die Barrieren und das Gefühl der Ausgrenzung nicht auszulösen oder zu vertiefen.

Ich wollte von Anfang an, dass der Film auch von der technischen Seite einfach zu bedienen ist, so dass jeder ihn leicht einschalten kann. Deshalb habe ich keine separate Audiodeskriptionsfunktion eingebaut. Sie ist zwar für Blinde toll, aber für Menschen mit Lernschwierigkeiten wegen der hohen Konzentration an verbalen Inhalten nicht geeignet. Stattdessen beschreibt die Stimme des Lektors langsam, was auf dem Bildschirm zu sehen ist, aber so, dass auch Menschen ohne Beeinträchtigung sich nicht langweilen und den Film gemeinsam mit behinderten Menschen genießen können. Befragung von Personen, die mit Blinden arbeiten, haben bestätigt, dass dies eine gute und angewandte Methode ist.

Dieser Film betrifft (wie die meisten Filme) zwei Wahrnehmungsbereiche: den visuellen und den auditiven Bereich. Die Verwendung einer angemessenen Mischung von Reizen (die die Wahrnehmung der Rezipienten anregt) ist der Schlüssel, um Menschen zu erreichen, die visuell, auditiv eingeschränkt sind oder Lernschwierigkeiten haben, aber auch alle anderen. Die Mischung ist so aufgebaut, dass die auditiven Reize auf Blinde oder Sehbehinderte wirken, während die visuellen Reize gleichzeitig auf Menschen mit Hörproblemen wirken. Menschen mit Lernschwierigkeiten und Menschen mit vollen Fähigkeiten nehmen den Film durch eine vollständige Mischung aus visuellen und akustischen Reizen wahr, jede Gruppe in ihrem eigenen Tempo. Dieser Film ist für alle gedacht, so dass verschiedene Menschen ihn gemeinsam ansehen können. Er soll verbinden, nicht trennen.

Was sind Ihre nächsten Ideen? Werden Sie weiterhin für Menschen mit Beeinträchtigungen arbeiten?

Ja, ich möchte weiterhin Audiodeskriptionen erstellen. Es handelt sich um eine sich entwickelnde Tätigkeit, die die Wahl sehr spezifischer Begriffe erfordert, da die Zeit für die Beschreibung sehr kurz ist. Wie kann man zum Beispiel eine sich bekleidende Person in 2,5 Sekunden so beschreiben, dass eine blinde Person sie sich vorstellen kann? Der Film ist ein 2D-Werk, aber man muss den dreidimensionalen Raum darin zeigen, so wie ein blinder Mensch in seiner Vorstellung eine räumliche Karte erstellt.

Wie würden Sie Ihre Herangehensweise an eine universelle Filmerstellung in einem Satz zusammenfassen?

Eine universelle Filmerstellung... Hmm, das klingt gut. Ich denke, es geht darum, die Welten zu sehen und darzustellen, die schwer zu erfassen sind - die Welten der verschiedenen Menschen um uns herum.

Ja, ich denke, das ist es, was für mich universelle Filmerstellung bedeutet.

Herzlichen Dank für das Interview!

Hier sehen Sie ein Bild aus dem Film für alle, der im Rahmen des Projekts "Natur ohne Barrieren" entstanden ist.

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