Interview: Barrierefreies Naturerleben im österreichischen Kärnten
Robert Heuberger ist studierter Biologe. Er ist seit 2004 für den Naturpark Dobratsch und seit 2007 auch für den Naturpark Weißensee im Kanton Kärnten, Österreich, tätig. Seit 2009 Vorstandsmitglied der Arge Naturerlebnis Kärnten, ein Zusammenschluss von 11 Schutzgebieten, 10 Tourismusregionen und der Kärnten Werbung zur Entwicklung und Umsetzung von nachhaltigen, innovativen Naturtourismusprogrammen in Schutzgebieten. Die Arge Naturerlebnis und die Naturparke gewannen zahlreiche Preise, u.a. zwei Mal den Innovationspreis Tourismus Österreich, zweimal den VCÖ Mobilitätspreis sowie den Inklusionspreis für Kärnten.
Im Rahmen des Projekts „Barrierefreies Naturerlebnis“ ermöglicht ihr Menschen mit Behinderungen die Natur Kärntens zu erkunden. Wie ist die Idee zu dem Projekt entstanden?
Ursprünglich faszinierte mich ein Weg für blinde Menschen im Italienischen Naturpark Prealpi Giulie. Ausschlaggebend war auch das Wissen über die Zunahme alter und sehr alter Menschen in der Gesellschaft und die Verwunderung, dass das Thema „Barrierefreiheit“ in der Natur mit dem Argument „das geht nicht“ ignoriert wurde.
In einem über 3-jährigen „vorsichtigen“ Prozess, der von der Fa. Siegel & Kaiser begleitet wurde, wurde ein Projekt entwickelt „Naturerlebnis für alle“ das zur Bewusstseinsbildung zu diesem Thema und als Basis für die nunmehrigen Umsetzungen diente.
Welche Wege würdest du den unterschiedlichen Besucher*innen empfehlen und aus welchem Grund?
Ab 2022 soll es in Kärnten 11 barrierefreie Naturerlebnis „Wege“ geben. Jeder wird die vom ÖZIV (Bundesverband für Menschen mit Behinderung) vorgegeben Kriterien erfüllen. Ob das Seebachtal in den Hohen Tauern oder die Kaiserburg in den Nockbergen, die zwei Seeuferwege am Weißensee oder der spektakuläre Sky Walk beim Parkplatz 6 der Villacher Alpenstraße, jedes Erlebnis steht für sich.
Was ist das Besondere an diesem Projekt? Was hat dich besonders positiv überrascht?
Zunächst haben wir eine „Selbstevaluierung“ möglicher Wege anhand einer Kriterienliste vorgenommen. Es war „eindrucksvoll“ zu beobachten wie das Verständnis für Menschen mit Behinderung dadurch gestiegen ist, wenn die Erkenntnis aufkommt, dass selbst fast ebene Wege für Menschen im Rollstuhl nicht bewältigbar sind.
Bei unseren Sensibilisierungsworkshops für Entscheidungsträger*innen, Ranger*innen und Hotels freute mich, dass so viele teilgenommen haben und die Notwendigkeit Maßnahmen zu setzten erkannten.
Besonders freut mich auch, dass unsere Ranger*innen Programme „Naturerlebnis für alle“ von einer breiten Zielgruppe gebucht werden.
Was waren in eurem Prozess die größten Herausforderungen bzw. Stolpersteine und wie seid ihr damit umgegangen?
Herausforderungen gab es genug: Die Schutzgebiete davon zu überzeugen, dass Barrierefreiheit auch in den Bergen möglich ist. Die Betriebe zu überzeugen, dass diese Gästeschicht kein „Randthema“ ist und auch bei den Leader Förderstellen herrschte teils Ablehnung für das Projekt vor. Schön ist, dass wir diese Herausforderungen überwinden konnten und sogar den 1. Platz bei der touristischen Leuchtturmförderung erzielen konnten.
Was wäre deine Zukunftsvision für barrierefreie Naturangebote in Kärnten?
Wir arbeiten daran, die gesamte touristische Dienstleistungskette barrierefrei zu denken – von der Erstinformation im Internet über die Buchung, die Anreise, den Aufenthalt im Betrieb, das Urlaubserlebnis in der Natur bis zur Abreise und der „Kund*innenbindung“.
Das ist unser Ziel für die nächsten Jahre und sollte danach hoffentlich zur Selbstverständlichkeit werden.
Was ist deiner Meinung nach besonders wichtig bei der Umstellung auf mehr Barrierefreiheit?
Das Wissen, es nicht für 10% der Gäste die es unbedingt brauchen sondern für 100% der Gäste die davon profitieren besser zu machen.
Vielen Dank für die interessanten Einblicke und viel Erfolg!
Am Westufer des Weißensees entsteht ein 6km langer barrierefreier Weg Naturpark Weißensee.
Mehr zur Barrierefreiheit in Kärnten: www.kaernten.at/barrierefrei